Janet Planet Grossbritannien, USA 2024 – 110min.

Filmkritik

Ein subtiles, meditatives Märchen

Théo Metais
Filmkritik: Théo Metais

Die amerikanische Dramatikerin Annie Baker, Gewinnerin des Pulitzer-Preises für Theaterstücke, hat mit «Janet Planet» ihren ersten Spielfilm gedreht. Julianne Nicholson verkörpert darin eine alleinerziehende Mutter.

Im Hochsommer 1991, im ländlichen Westen von Massachusetts, ruft die elfjährige Lacy (Zoe Ziegler) aus dem Ferienlager ihre Mutter an: «Ich bringe mich um, wenn du mich nicht abholst.» Die einfühlsame Janet (Julianne Nicholson) holt ihre Tochter also zurück, und gemeinsam machen sie sich auf den Weg zum Haus der Familie: ein traumhafter Zufluchtsort, der wie ein kleiner Planet aussieht und von Bäumen und Vögeln umgeben ist. Am Rande dieser üppigen Natur lässt Lacy ihrer Fantasie freien Lauf und nutzt die Ruhe der Umgebung, um innere Welten heraufzubeschwören.

Annie Baker, die auf der Bühne vor allem für ihr Stück «The Flick» (2014) gefeiert wurde und in den USA als eine der talentiertesten Dramatikerinnen ihrer Generation gilt, träumte anscheinend schon immer davon, einen Film zu machen. Davon zeugen Bruchstücke einer Geschichte aus ihrer Collegezeit. Die Geschichte sollte von einer Mutter und ihrer Tochter in der Nähe einer Hippie-Kommune in ihrer Heimat Massachusetts handeln und trug bereits den prophetischen Namen «Janet Planet». Ein Werk also, das nur darauf wartete, zum Leben erweckt zu werden. Auf der Leinwand wird es nun zum Sinnbild für Janet und Lacy, eine Mutter und ihre Tochter, die durch ihre Liebe zueinander und ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit vereint sind.

Der Film ist in mehrere Akte unterteilt und zeigt eine wirklich witzige und bemerkenswerte Zoe Ziegler in der Rolle der sehr jungen Lacy, die sich zaghaft an das Leben gewöhnt. Die ikonische Julianne Nicholson («Mare Of Easttown») glänzt in dieser Rolle, die versucht, ihre Beziehung zu Männern (u. a. Will Patton) und ihrer Freundin Regina (Sophie Okonedo) ebenso zu bewältigen, wie ihre Tochter versucht, sich selbst zu finden. Klavierstunden, ein Puppenhaus, eine Anspielung auf den Roman «Das Tal der Pferde» von Jean M. Auel und ein wenig Bluegrass... wenn «Janet Planet» kryptisch erscheint, hilft ein sorgfältiger Blick auf die Fotos von Maria von Hausswolff, um die Geheimcodes von Annie Baker zu entschlüsseln (wir überlassen es dir, über das Schicksal der Zecke zu meditieren).

«Janet Planet» ist ein Film mit einer nostalgischen, organischen und universellen Ästhetik, der in sommerlicher Trägheit entstanden ist. Der Film, der in Berlin in der Panorama-Auswahl gezeigt wird, ist ein erstaunliches Werk, das in der Lage ist, die winzigen Einzelgeschichten mit den vielfältigen Interpretationen des Grossen Bären zu verbinden. «Janet Planet» ist nicht naiv, ganz im Gegenteil, er ist auf Augenhöhe eines Kindes angesiedelt, um die Welt mit der angemessenen Unschuld zu betrachten. Co-Abhängigkeit, Einsamkeit, Entdeckung des ersten Nervenkitzels - Annie Baker gibt der Kindheit und der Mutter-Tochter-Beziehung ihre Magie zurück. Mit ihrer meditativen Form strahlt sie grosse Poetik und eine seltene Energie aus.

13.06.2024

4

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