Les Olympiades Frankreich 2021 – 106min.

Filmkritik

Mühsame Liebschaften

Sven Papaux
Filmkritik: Sven Papaux

Im 13. Arrondissement (Pariser Stadtteil) stellt Jacques Audiard seine Kamera auf, um junge Menschen zu filmen, die sich in diesem Grossstadtdschungel auf der Suche nach sich selbst befinden. Der im Wettbewerb von Cannes vorgestellte Film «Les Olympiades» wagt sich in Schwarz-Weiss in die Tiefen einer Jugend, um ein Generationenepos auszupacken.

Drei Mädchen und ein Junge in der Gleichung und als Hintergund grosse Gebäuderiegeln im Pariser Stadtteil Olympiades. Emilie (Lucie Zhang) trifft Camille (Makita Samba), die sich zu Nora (Noémie Merlant) hingezogen fühlt, die wiederum den Weg von Amber (Jehnny Beth) kreuzt. Manchmal sind sie Freunde, manchmal Liebende, oft beides. Und wenn sich die Liebe verheddert, ändert sich alles...

Liebe ist nicht nur schwer zu finden sondern auch schwer zu akzeptieren. Dieser neue Film von Jacques Audiard hat den Beigeschmack einer verwirrten Generation, einer grossen existenziellen und sentimentalen Leere. Eine neue Zeit, die unverdaulich sein kann und Ihnen Qualen und Unbehagen bereitet. In «Les Olympiades» sind es drei Herzensgeschichten, in denen der Sex ein Kardinalwert ist, um eine Lust zu erleben, die Worte nicht annehmen können. Die Idee ist zart, die Umsetzung ist sorgfältig, aber das Schreiben wird dem Projekt vielleicht nicht ganz gerecht. Das eigentliche Problem liegt in den unzähligen körperlichen Szenen, die diese generationsübergreifende Ode erheblich bremsen. Das von sechs Händen geschriebene Drehbuch, in dem wir neben Jacques Audiard auch Céline Sciamma und Léa Mysius wiederfinden, passt sich diesem alltäglichen Hindernislauf an, ohne den Charakter seiner Figuren zu elektrisieren.

Dieselben Figuren, die man als hilflos empfindet und die mit einer verrückten und heuchlerischen Zeit zu kämpfen haben, schaffen es nie, die romantische Essenz zum Kochen zu bringen. Es reicht nicht einmal diese erhabene Schwarz-Weiss-Fotografie - von Paul Guilhaume, um diese verkratzte und unter dem Prisma der Polyamorie zusammengebrochene Kopie auszulöschen. Eine zeitgenössische RomCom, die sich um eine Leere dreht, die es zu füllen gilt und die durch körperliche Nähe ausgetrieben werden soll. Frustration, die durch Sex und noch mehr Sex gefüllt wird: Eine theologische Tugend einer desillusionierten Jugend. All das wird langweilig, aber Audiard besitzt diese Verve, um sich manchmal dank einer unaufhaltsamen Inszenierung und vor allem dank seiner Schauspielerführung aus den Schieflagen zu befreien.



Einsamkeit und sexuelle Orientierung, Eifersucht und Tiefschläge; «Les Olympiades», eine Adaption von fünf Kurzgeschichten von Adrian Tomine, einem amerikanischen Comiczeichner und Starillustrator der New Yorker, ruft die Sensibilität oder die Präzision nicht hervor, die für diese Odyssee der Körper und des Herzens notwendig sind. Die Zärtlichkeit, die ein wenig künstlich wirkt, verliert uns und bietet uns nicht diesen einsamen und liebevollen Schwindel.

Neben den schönen Bildern ist in der Kategorie der positiven Überraschungen die Schauspielerin Lucie Zhang zu nennen, die sich intensiv und treffend in die Rolle von Emilie hineinversetzt. Die wahre Entdeckung eines in Melancholie versunkenen Films, der sich in die Länge zieht, um schliesslich mit der Langeweile zu flirten.

Kurzkritik von Patrick Heidmann:Normalerweise sind die Filme Jacques Audiards von Wucht und Maskulinität geprägt, doch hier schlägt er neue Wege ein. Rund um einen Hochhausblock im 13. Bezirk von Paris verwebt er in wunderschönen Schwarzweiss-Bildern die Lebenswege dreier junger, moderner Menschen miteinander. Die Themen, um die es hier geht, sind alltäglich, aber essentiell: Liebe und Sex, Freundschaft und Selbstfindung. Was den Film so besonders macht, sind erfrischende Darsteller:innen und eine unerwartet humorvolle Leichtfüssigkeit.



25.04.2022

3

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