Davos Österreich 2020 – 99min.
Filmkritik
Ort der Gegensätze
Einen Schauplatz der radikalen Kontraste porträtieren die österreichischen Filmemacher Daniel Hoesl und Julia Niemann in ihrer Doku „Davos“. In einem Mikrokosmos in den Schweizer Alpen treffen Geld, Macht und die Entscheidungsträger der Welt auf Provinz, Alltagsprobleme und Entschleunigung.
Das schweizerische Davos ist die höchstgelegene Stadt Europas, eingebettet in unnachahmliche Gebirgslandschaften und seit fast 200 Jahren als Kurort weltberühmt. In die Literaturgeschichte ging der grösste Skiort der Schweiz als Schauplatz in Thomas Manns Klassiker „Der Zauberberg“ ein. Jedes Jahr im Winter richten sich beim Weltwirtschaftsforum die Blicke der Weltöffentlichkeit auf die 11 000 Einwohner zählende Gemeinde. Dann dreht sich drei Tage lang alles um Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik. Und um Geld und Profit.
Davos ist ein Ort der krassen Gegensätze. Während des Gipfeltreffens der Machtträger erreicht dieser Kontrast seinen Höhepunkt im Jahr. Es ist jene Kluft zwischen „denen da oben“, den Reichen und Mächtigen, und der einfachen Bevölkerung von Davos, die Hoesl und Niemann in ihrer Doku einfangen – ohne die Konferenz zum Zentrum ihres Films zu machen.
Natürlich ist das von grosser medialer Aufmerksamkeit begleitete Jahrestreffen der Wirtschaftsexperten, Politiker und Journalisten auch Thema, doch nur am Rande. Die Filmemacher blicken stattdessen lieber hinter die Kulissen und geben all jenen Menschen ein Gesicht, für die das Leben während der Wirtschaftsforums ganz normal weiterläuft.
Wir sehen Landwirte bei der Arbeit im Stall und auf den Feldern. Einheimische, die durch die Einkaufspassagen schlendern oder auf den Bus warten. Jugendliche beim Skateboarden, Besucher des bekannten Ernst-Ludwig-Kirchner-Museums oder einfache Arbeiter in einer Kneipe. All dies macht deutlich: Der Alltag geht für die Bewohner „im Hintergrund“ unspektakulär weiter. Sie haben ihre eigenen Probleme und (Geld-)Sorgen und bekommen von den politischen Themen, über die ein paar Kilometer entfernt gesprochen wird, nichts mit.
Hoesl und Niemann agieren rein beobachtend. Sie verzichten auf eine Off-Kommentierung und eine Einordnung. Das ist sinnvoll, denn das zwingt den Betrachter zum reflektierten, aufmerksamen Zusehen. Bisweilen aber schenkt der Film einigen Beobachtungen und Personen etwas zu viel Aufmerksamkeit. Etwa zwei Jägern auf der Lauer. Deren Entschleunigung und Ruhe bei der Arbeit wirkt beim Zuschauen eher langatmig und ermüdend. Und auf Dauer nichtssagend. Ebenso wie die typischen Postkarten-Bilder und Impressionen der Alpen.
Aussagekräftiger sind da schon die Aufnahmen von einer Gegendemo, bei der die Kapitalismuskritiker den fehlenden Willen zu Veränderung monieren. Und lautstark skandieren: „Ihr Mächtigen habt versagt“.
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