Petit paysan Frankreich 2017 – 90min.
Filmkritik
Raus aus dem Rausch der Bauernroutine
Hubert Charuel, Landwirtsohn mit Filmemacherdiplom, erzählt in seinem Regiedebüt eine fiktive, aber realitätsnahe Geschichte um einen Jungbauern, der sein Vieh vor einer Seuche zu bewahren versucht. Er bringt dabei weit wahrhaftiger als manch sentimentale Landliebe-Romanze die Trauer um das Verschwinden des Kleinbauerntums auf Leinwand.
Sie haben ein enges Verhältnis, der Bauer Pierre und seine Kühe. Dreissig sind es an der Zahl, Pierre kennt jede beim Namen. Der Rhythmus, in dem die Tiere gefüttert und gemolken werden, bestimmen seine Tage, und wenn ein Kalb zur Welt kommt, auch seine Nächte. In seinen Träumen teilt er mit den Kühen nicht nur den Hof, sondern auch Wohnstube und Schlafzimmer; Pierre, Anfang dreissig, Single und sehr körperlich gespielt von Swann Arlaud (Une vie) ist glücklich als Landwirt. So glücklich, dass es ihm lästig ist, wenn seine nebenan hausenden Eltern ihm nahelegen, auf die Avancen der jungen Bäckerin einzugehen, weil man als Bauer besser nicht allein ist, das Date indes verläuft harzig. Wohler fühlt sich Pierre im Kreis seiner Kumpels, Bauern aus der Umgebung, die ihn mal zum Bowling abholen oder zur Jagd einladen, richtig verstanden einzig von seiner Schwester, die als Tierärztin die Viehbestände in der Region kontrolliert und oft bei ihm vorbeischaut.
Seit einer Weile nun aber hängt eine dunkle Wolke in der Luft: In Belgien ist eine „Rinderseuche“ ausgebrochen, die binnen kurzer Zeit ganze Herden vernichtet; Regisseur Hubert Charuel, selber Sohn von Landwirten, hat sich weise gehütet, diesbezüglich auf real Existierendes wie Klauenseuche oder Rinderwahnsinn einzugehen. Es geht, obwohl davon selbstverständlich auch die Rede ist, ihm in Petit paysan auch nicht um die Seuche und deren Bekämpfung, sondern um Pierre. Um seine Gefühle und seine Befindlichkeit. Um das, was mit ihm passiert, als die eine seiner Kühe Anzeichen der Infektion zeigt, er aber weder die Eltern, schon gar nicht die Schwester ins Vertrauen ziehen kann. Pierre ist schlau und mutig, sofern man von Mut reden kann, wenn einer – um 29 andere und ein Kalb zu retten – eine Kuh heimlich beseitigt…
Petit paysan, auf dem Hof von Charuels Eltern in der Region Grand-Est gedreht, ist bildlich beeindruckend und harsch. Eben nicht sentimental landwirtschaftsnostalgisch, sondern mit der ganzen Trauer, die darin um dessen Verschwinden mitschwingt, kleinbauernlebensnah. Ein Film, der unbeschönig, aber mit viel Gefühl für seinen Protagonisten von einem von allem Anfang an verlorenen Kampf berichtet und dabei bis zum allerletzten Bild ans Herz geht.
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