Stein der Geduld Afghanistan, Frankreich 2012 – 98min.

Filmkritik

Die Macht des Erzählens

Filmkritik: Anna Studer

Die Geschichte einer Frau, die sich nach und nach von den Regeln eines fundamentalistischen Islams löst: Atiq Rahimis poetische Verfilmung seines gleichnamigen Romans spielt mitten im Krieg in Afghanistan.

In Kabul pflegt eine junge, schöne und namenlose Frau (Golshifteh Farahani) ihren Mann, der seit einer Schussverletzung in tiefer Bewusstlosigkeit liegt. Es herrscht Krieg, in ihrem Viertel kommt es immer wieder zu Scharmützeln, fast alle Nachbarn sind schon geflohen. Immer wieder muss die Frau mit ihren beiden kleinen Kindern Schutz im Keller suchen, zudem gehen Trinkwasser, Essen und Geld aus. Schliesslich kann sie die Kinder bei einer Tante, welche in einem ruhigeren Stadtteil lebt, in Sicherheit bringen.

Sie selbst kehrt jedoch jeden Tag zu ihrem Ehemann zurück. Ohne zu wissen, ob er sie hören kann, erzählt sie: von ihren Sorgen und Träumen, bald auch von ihren geheimsten Gedanken und all den unausgesprochenen Wünschen. Immer mehr beginnt sie, ihr von einem fundamentalistisch ausgelegten Islam geprägtes Leben zu hinterfragen und sich allmählich von den strengen Regeln zu lösen. Später erzählt sie auch von dem anderen Mann, der in ihr Leben trat und ihrer damit verbundenen sexuellen Befreiung.

Der in Frankreich lebende Afghane Atiq Rahimi verfilmt mit The Patience Stone seinen eigenen Roman, für den er 2008 mit dem Prix Goncourt, dem wichtigsten französischen Literaturpreis, ausgezeichnet wurde. All seine Arbeiten thematisieren die kulturellen und politischen Verhältnisse in Afghanistan und die Rollen der Frauen. Das Drehbuch verfasste er gemeinsam mit Jean-Claude Carrière (Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, Goyas Geister). In der Hauptrolle glänzt die iranisch-französische Schauspielerin Golshifteh Farahani, die durch Poulet aux prunes bekannt wurde.

Wird die erste Filmhälfte noch von den Brutalitäten des Krieges und Verzweiflung dominiert, so entwickelt sich in der zweiten eine überraschende Leichtigkeit. Zwar gibt es gewisse Längen in den Erzähl-Szenen, was wohl auch daran liegt, dass es sich um eine Roman-Adaption handelt. Sie werden jedoch immer wieder durch Alltagszenen unterbrochen, den erfrischenden Gesprächen mit der Tante etwa, welche in einem Bordell lebt. Schliesslich wird eine Parabel aus dem Koran aufgegriffen, die dem in wunderbar satten Farben gehaltenem Film etwas Poetisches verleiht.

18.02.2024

4

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Kommentare

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gefuehlsmensch

vor 11 Jahren

gut gemacht.


weinberg10

vor 11 Jahren

Für mich ein aufwühlender Film, der von mir als Zuschauer sehr viel abverlangt. Eine harte Konfrontation mit einer unmöglichen, von männlicher Gewalt geprägten Welt. Schön wie diese Frau sich in dieser Umgebung zu behaupten weiss. Sie verändert sich und wir dürfen sie dabei begleiten. Schade, dass sich dabei ihr bewusstloser Mann nicht auch mitverändert und schlussendlich in seinen religiös geprägten Moralvorstellungen steckenbleibt. Herausragende Schauspielerin!Mehr anzeigen


miladanova

vor 11 Jahren

Schöner Film!


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