CH.FILM

Sagrada Schweiz 2012 – 95min.

Filmkritik

Eine Vision in Stein wird wahr

Rolf Breiner
Filmkritik: Rolf Breiner

Die berühmte Kathedrale in Barcelona wächst seit 130 Jahren. An dem Monument wird noch immer gebaut und gemeisselt. Der Zürcher Regisseur Stefan Haupt taucht ein in das steinerne Jahrhundertwerk und begibt sich auf die Spuren seines Architekten Antonio Gaudí. Faszinierend.

Die bekannte katalanische Kathedrale ist streng genommen gar keine. Denn sie kann nicht zum Bischofssitz erhoben werden. Im November 2010 wurde das Gotteshaus von Papst Benedikt XVI. geweiht und zur päpstlichen Basilica minor erhoben. Das Monumentalbauwerk ist ein Magnet für Barcelona-Touristen. Gegen drei Millionen Besucher werden jährlich gezählt, die so finanziell zur Vollendung der steinernen Vision beitragen.

Den "Temple Expiatori de la Sagrada Família" hat der spanische Architekt Antonio Gaudí entworfen. Am 19. März 1882 wurde der Grundstein gelegt, an der Stadtgrenze Barcelonas, auf freiem Land – damals. Der erste Architekt schmiss den Bettel hin, Gaudí wurde sein Nachfolger und entwarf eine völlige neue Vision der Sagrada Familia. Als erstes wurde die vorgegebene Krypta in neugotischem Stil fertig gebaut, 1885 hier die erste Messe gelesen. Und damit begann eine unendliche, schöpferische Geschichte, die bis heute andauert. Gaudí starb bereits 1926.

"Als Kind glaubte ich", so leitet der Erzähler aus dem Off ein. "Ich glaubte an einen Gott im Himmel, der diese Welt erschaffen hat. Ich glaubte, dass wir Menschen das Ebenbild Gottes sind, seine Geschöpfe und Schöpfer zugleich." Mit diesem Kommentar beginnt eine fantastische Reise durch Zeit und Raum, durch Licht und Schatten, Vergangenheit und Gegenwart. Schauplatz ist ein bizarres phantastisches Gotteshaus mit seinen filigranen Türmen, die an die Berge von Montserrat erinnern. «Sagrada – el misteri de la creació» titelt Regisseur Stefan Haupt seine Begegnungen mit diesem Monument und seinen Menschen – mit Philosophen, Architekten, Arbeitern, Zeitzeugen und Künstlern wie dem japanischen Bildhauer Etsuro Sotoo, der die Geburtsfassade vollendete.

Die Kamera Patrick Lindenmaiers erfasst die Lichtstrahlen, die durch Gewölbe brechen, dokumentiert die Arbeiten am Stein, an den Türmen, folgt einer geheimnisvollen Begleiterin, die in Nischen, Treppen oder auf den Strassen Barcelonas auftaucht. Diese Kunstfigur hat etwas Poetisches, Überirdisches an sich. Die anmutigen, kunstsinnigen Bilder und Eindrücke etwa von der kantigen Passionsfassade, die vom führenden katalonischen Bildhauer Subirachs realisiert wurde, werden mit Tatsachen konfrontiert – mit Fakten, Geschichte und Gestaltern. Der Film ist eine kunstvolle, vielschichtige Auseinandersetzung mit einem Phänomen: eine Kirche für alle Menschen. Er handelt auch von schöpferischer Kraft, einem aussergewöhnlichen architektonischen Prozess, technischem Fortschritt und dem Glauben an eine Vollendung.

17.12.2012

4

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Kommentare

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weinberg10

vor 11 Jahren

Mit diesem Film erhielt ich einen neuen Blickwinkel auf diese imposante Kirche.


Wolfundsid

vor 11 Jahren

Sehenswert! Ein absolutes Muss. Ist alles drin: Existenzfrage, Auseinandersetzung mit unserer Zeit. Die Entstehung eines grossen Bauwerks über Generationen wird begleitet.


Heptig

vor 12 Jahren

Sehr interessant, aber leider viel zu lange. Als beschrieben wurde, wie Gaudì der Tochter von Santa-Maria von Schiessmichtot Erdnüsse geschenkt haben soll, bin ich eingenickt. Danach hatte die Kathedrale bereits einen Turm mehr. Sagenhaft.


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