CH.FILM

Tag am Meer Schweiz 2008 – 88min.

Filmkritik

Generation Forever Young

Filmkritik: Marius Gartmann

Der erste Kinofilm des jungen Schweizer Regisseurs Moritz Gerber ist ein stimmiges Summermovie rund um Liebe, Freundschaft und Verantwortung. Doch "Tag am Meer" erzählt auch vom Dilemma einer Generation, die nicht erwachsen werden kann.

Dave (Dominique Jann) lebt das Leben der jungen Kreativen: Tagsüber kümmert er sich mit seinem Kumpel und Mitbewohner Matthias (Manuel Löwensberg) um den gemeinsamen Plattenladen, abends legt er als Electro-DJ in einem der zahlreichen Zürcher Clubs auf. Die Beziehung mit Sarah (Doris Schefer) ist gerade frisch gekittet, die Sause zu Ehren des eigenen Geburtstags steht kurz bevor. Man trinkt Bier vor dem Zürcher Kanzleischulhaus, grilliert auf der Werdinsel oder übt zu Hause vor dem Plattenteller. So weit, so gut. Doch Dave wird 30 und sieht das Damoklesschwert der Bürgerlichkeit bedrohlich nahe über seinem Kopf schweben. Als Sarah dann auch noch zusammenzuziehen will, taucht bei Dave das Reihenhaus mit Garten in der Agglomeration schon vor dem inneren Auge auf. Da kommt ihm die Gelegenheit für eine Sommerromanze mit der Französin Alice (Patricia Mollet-Mercier) gerade recht.

"Tag am Meer" erzählt diese "Coming-of-Age"-Story von urbanen Twens in einer beeindruckenden Unaufgeregtheit und mit wunderschönen Bildern des hochsommerlichen Zürichs. Der polnisch-schweizerische Kameramann Piotr Jaxa transportiert die Hitze förmlich auf die Kinoleinwand. Der Schweiss tropft nur so: beim Joggen, beim Arbeiten und auch beim Sex. Der Film überzeugt durch seine Bildsprache, stellt dabei aber nie die Form über den Inhalt. Die Geschichte gerät nie in den Hintergrund, dafür wachsen einem die Figuren auch zu sehr ans Herz. Dazu trägt der Cast viel bei, allen voran die kecke Patricia Mollet-Mercier, die hier in ihrem ersten deutschsprachigen Film zu sehen ist. Aber auch "Tag am Meer" hat mit den Tücken von schweizer(deutschen) Filmen zu kämpfen; allzu oft wirken die Dialoge wie auswendig gelernt, bezeichnenderweise dann am wenigsten, wenn Dave, Matthias, Sarah & Co. Hochdeutsch sprechen.

Regisseur Moritz Gerber setzt sich hier mit einem Thema seiner eigenen Generation auseinander (er wurde während den Dreharbeiten 30), und das merkt man: Waren die Eltern in diesem Alter nicht selten schon verheiratet und mit Kindern gesegnet, ist man heute nach Universität, Praktika und den obligaten Reisen zwecks Selbstfindung mit Ende 20 erst auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Dennoch verfällt weder der Film noch seine Protagonisten in melancholisches Selbstmitleid. Und am Schluss weiss dann auch jeder, wo er hingehört.

17.02.2024

4

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Kommentare

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pradatsch

vor 15 Jahren

Der Film scheint mir die "Bindungsreifung" des Protagonisten auf eine subtile Art darzustellen. Allerdings dauert das: Als Zuschauer verspürt man wiederholt das Verlangen, Dave mal richtig wachzurütteln (aber ist man nicht doch auch selber ein bisschen so?). Die Dialoge fand ich teilweise recht starr; die "Zürcher Konkreten" lassen grüssen.Mehr anzeigen


thehoo

vor 15 Jahren

Erfrischendes Kino mit unbekannten Gesichtern: Authentisch, cool, einigermassen vorhersehbare Story. Hier wird Zürich (und dank Berner und Ostschweizer Darstellern auch die weitere Schweiz) portraitiert und das macht sich auch als Zeitdokument zum Leben im Jahre 2008/9 recht gut.


zuckerwättli

vor 15 Jahren

nicht persönlich nehmen... aber für einen Schweizer Film sind diese Punkte nun mal leider nicht selbstverständlich. "Tag am Meer" machte seine Sache gut - für einen Erstling gar sehr gut. Unbedingt ansehen.


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