Filmkritik
Brücken bauen
1914 begab sich Paul Klee mit zwei Malerfreunden auf eine Reise durch Tunesien. Im poetischen und zugleich anregenden Dokumentarfilm des Schweizers Bruno Moll führt der tunesische Filmemacher Nacer Khemir ("Bab' Aziz") zu den verschiedenen Stationen der Reise.
Das Meer und der dunstige Himmel sind eins; eine meditative Stille geht von den erdfarbenen Häusern aus. Es sind Aufnahmen des heutigen Tunesiens, und trotzdem glaubt man zu ahnen, welche Eindrücke Klee in sich aufsog, als er 1914 mit August Macke und Louis Moilliet Tunesien bereiste. Die Reise prägte sein künftiges Schaffen - gerade hinsichtlich der Farben: Hatte er sich bis anhin vor allem theoretisch damit auseinandergesetzt, erkannte er in Tunesien deren expressive Möglichkeiten: "Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiss das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farben sind eins. Ich bin Maler."
Anstoss für Bruno Molls Film war die Idee, dass Kunst die Möglichkeit hat, Okzident und Orient zu verbinden. Der tunesische Filmemacher, Erzähler und Maler Nacer Khemir erweist sich daher als idealer Führer zu den verschiedenen Reisestationen. Nicht nur, weil er beide Kulturen sehr gut kennt - seine erste Begegnung mit Klees Kunst war ein Schlüsselerlebnis: 12-jährig besuchte er eine Klee-Ausstellung und beschloss daraufhin, Maler zu werden. Klee beeindruckte ihn, weil er keine exotischen Welten malte, sondern die afrikanische Landschaft in ihren Farben und ihrem Licht zu erfassen versuchte: "Paul Klee hat erkannt, dass die wesentlichen Dinge unsichtbar sind. Er sah, dass man, um an die Wurzeln der Dinge vorzudringen, lernen sollte, mehr zu sehen als nur die äussere Erscheinung." Ohne Absicht, die Realität eins zu eins abzubilden, ordnete Klee Farben, Formen, Licht und Schatten in seinen Bildern an. In ähnlicher Weise ist Nacer Khemir stets auf der Suche nach tieferen Erfahrungen. In seinen Filmen - einige Szenen sind auch in Molls Film zu sehen - setzt er der Realität immer wieder sinnenreiche Traumwelten entgegen.
Khemir reflektiert in "Die Tunisreise" über die Verbindungen zwischen der arabischen und Klees Kunst. Er sieht den Maler denn auch als Brücke zwischen den Kulturen; weder der einen noch der anderen zugehörig. Passend zur Thematik drückt sich der tunesische Filmemacher gerne in Gleichnissen und Bildern aus. Seine Gedanken sind bedeutsame Denkanstösse zur Abstraktion, zu Bild und Realität, zu den Motiven und Hintergründen der arabischen Kultur. Passagen aus Klees Tagebuch schieben sich dazwischen; mal im poetisch-schwärmerischen Ton, mal knapp und prägnant.
In ruhigem, beschaulichem Rhythmus lösen sich Aufnahmen tunesischer Landschaften und architektonischen Details ab, gehen über in Werke Paul Klees. Der Film fördert nicht nur das Verständnis für Klees Kunst und Gedankenwelt, sondern auch für die Hintergründe der arabischen Kultur. Und damit kann er tatsächlich einen Beitrag zur Verständigung der Kulturen leisten, wie es Molls Ziel war.
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Kommentare
Ruhiger, gemütlicher Film, animiert zum Nachschlagen, wer dieser Paul Klee wirklich war? Die ruhige Art Nacer Khemir ist sehr wertvoll.
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