Filmkritik
Der Drachen im Schulzimmer
Wenn Kevin Williamson Regie führt, wird die Schulzeit zum Alptraum. Drei Schüler nehmen ihre Geschichtslehrerin gefangen, um ihr die hexenhaften Manieren auszutreiben. Der Unterricht trägt magere Früchte. Obwohl Mrs. Tingle tagelang ans Bett gebunden bleibt, entsteht keine fesselnde Geschichte.
Kevin Williamson muss eine traumatische Schulzeit erlebt haben. Seine Drehbücher zu Scream, Scream 2 und I know what you did last summer machten uns klar, dass die Existenz von Schülern eine ständige Gratwanderung zwischen Leben und Tod ist. The Faculty bewies, dass in jedem Lehrer ein Alien steckt. Mit Teaching Mrs. Tingle führt Williamson nun einen postpubertären Rachefeldzug gegen seine ehemalige Englischlehrerin namens Tingle. Diese prophezeite ihm, er würde es niemals zum Schriftsteller bringen. Das Drehbuch zu Teaching Mrs. Tingle hätte ihre Meinung kaum geändert. Mrs. Tingle im Film (Helen Mirren) ist die Geschichtslehrerin von Leigh Ann (Katie Holmes), Jo Lynn (Marisa Coughlan) und Luke (Barry Watson). Regisseur Williamson nährt erneut die Paranoia, dass Lehrer einer fremdartigen Spezies angehören. In unübersehbaren Goldlettern prangen Eve Tingles Initialen E.T. auf ihrem Koffer. Im Schulkorridor bricht die Panik aus, wenn Mrs. Tingle vorbeimarschiert: Mit schreckgeweiteten Augen springen die Kids zur Seite und dem Rektor kommt der Kaffee hoch. Die Paukerin ist so beliebt wie Hundekot am Schuh und unterlässt keine Gelegenheit, ihr Gift in der Welt zu verspritzen.Genau von dieser Lehrerin hängt aber Leigh Anns weiteres Leben ab. Nur als Klassenbeste hat sie die Chance, ein Universitätsstipendium zu ergattern und der öden Kleinstadt zu entfliehen. Mrs. Tingle straft solche Pläne mit Verachtung. Ihrer Machtposition bewusst, lässt sie Leigh Ann genussvoll durchfallen. Ein letzter Apell an Tingles Mitgefühl endet im Haus der Lehrerin in einem Desaster. Luke streckt den Drachen mit einem Streifschuss aus der Armbrust nieder, und blitzschnell ändern sich die Machtverhältnisse. Gefesselt und geknebelt liegt Mrs. Tingle kurz darauf in ihrem eigenen Bett und Leigh Ann, Jo Lynn und Luke überlegen, was sie mit ihr anfangen sollen.
Ähnlich scheint es Kevin Williamson beim Verfassen des Drehbuchs ergangen zu sein. Der Film beginnt, vor sich hin zu dümpeln und streckt die Sequenzen zwischen den Ereignissen ins Endlose. Vielleicht fördert der ständige Anblick von Mrs. Tingle auf ihrem Bett den Drang zum Gähnen. Möglicherweise ist der Grund, dass sich die Geschichte zwischen Komödie und Psychothriller hin und her windet und nirgendwo ein richtiges Zuhause findet. Zwar kokettiert Williamson nach wie vor mit Elementen des Horrorfilms, doch für einmal versucht er, Spannung aufzubauen ohne Blut zu vergiessen. Vom Umgang mit spitzen Mordwerkzeugen scheint er aber mehr zu verstehen als von psychologischer Kriegführung. Die gefesselte Lehrerin versucht, mit spitzen Worten die Schwachpunkte ihrer Gefangenenwärter auszuloten, ein Messer in die psychischen Wunden zu stecken und möglichst oft herumzudrehen. Ihre böse Saat geht auf, die drei Schüler beginnen sich gegenseitig zu misstrauen. Die dürftige Handlung vermag Tingle aber nicht mehr zu beschleunigen.
Für sein Début als Regisseur hat Kevin Williamson auf sein erstes eigenes Skript zurückgegriffen, das Produkt eines Drehbuchkurses an der Universität von Los Angeles, gespeist vom Hass auf seine Englischlehrerin. Der geistreiche deutsche Titel Tötet Mrs. Tingle! mit Ausrufezeichen erinnert denn auch eher an ein Graffiti auf dem Schulklo. Williamsons Vorschläge zur Verbesserung der Lehrer-Schüler-Beziehung werden kaum Eingang in die moderne Pädagogik finden. Ob er mit diesem Drehbuch der echten Mrs. Tingle eine Lektion erteilen konnte, ist ebenso fraglich.
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