Critique8. Oktober 2024 Cineman Redaktion
ZFF 2024: «Bird»: Eine Prise magischer Realismus
Die britische Regisseurin Andrea Arnold ist bekannt für ihren ungeschönten Blick auf oft harsche Alltagsrealitäten. In ihrem neuen Film «Bird» ist allerdings auch Platz für Magie.
ZFF 2024: «Bird»: Eine Prise magischer Realismus
Andrea Arnold | Vereinigtes Königreich, USA | 119 Min.
von Patrick Heidmann
Dass die 12-jährige Bailey (Nykiya Adams) eine ganze Ecke reifer wirkt, als es ihrem Alter entspricht, überrascht nicht. Von unbeschwerten Lebensumständen kann in einer Kleinstadt in Kent nicht die Rede sein: Mit ihrem Vater (Barry Keoghan), der seine neue Freundin heiraten will, wohnt sie in einer Art Abrisshaus, ihr älterer Stiefbruder ist in Gangaktivitäten verwickelt und schwängert seine Freundin, während ihre Mutter mit drei kleinen Kindern und gewalttätigem Partner einen Ort in ähnlich prekären Verhältnissen weiter lebt. Eines Tages begegnet ihr ein seltsamer Typ namens Bird (Franz Rogowski) der sich nach Jahrzehnten auf die Suche nach Spuren seiner eigenen Kindheit und Eltern begibt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine eigenwillige Freundschaft.
Schon in früheren Filmen wie «Fish Tank» oder «American Honey» hat die Regisseurin Andrea Arnold junge Protagonist:innen in den Fokus genommen und dabei mit klarem, durchaus auch oft hartem Blick für bittere soziale Realitäten. Zum auf Authentizität setzenden Realismus der Britin gesellt sich dieses Mal durch den von Franz Rogowski irgendwo zwischen naiv und verloren angelegten Titelhelden ein erfreulicherweise nicht zu dick aufgetragener magischer Realismus. Das kennt man von Arnold sonst so gar nicht, geht hier aber bestens auf.
Mit der Hauptdarstellerin Nykiya Adams gelingt der Regisseurin abermals eine echte Entdeckung, und nicht zuletzt eine Vielzahl von Tieren – von einer Halluzinogene absondernden Kröte über Pferde und einen Fuchs bis hin zu einem besonders bedeutungsvollen Raben – verleiht «Bird» einen ganz eigenen Touch. Vor allem aber ist der Film eine erfreulich sensible, einfallsreiche und wie immer bei Arnold auch musikalisch prägnante Variante des sonst hinlänglich abgegrasten Coming of Age-Genres.
4 von 5 ★
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